Beim Schreiben dieses Artikels kribbelt es mir überall. Sie fliegen, sie krabbeln, sie überleben. Die amerikanische Küchenschabe, Periplaneta americana ist größer, schneller und unverschämter als ihre deutsche Verwandte. Und ja, sie kann fliegen. Wer das einmal in einer tropischen Küche erlebt hat, vergisst es nie.
Jeder, der in wärmeren Gegenden unterwegs war, weiß: Mit Kakerlaken zu leben, ist vielerorts Alltag. Sie gehören zu Hotels, Bars, Großküchen, zu den feuchten Badezimmern und dunklen Straßen der Nacht. Wir waren in Brasilien, in Rio und der Umgebung. Alle Fotos stammen diesmal von meiner Reisekompanin Jay.

Wir staunten, wie oft uns diese Tiere begegneten, an sauberen Stränden, in gepflegten Hotels, in Supermärkten. Sie sind überall.
Häufig werden sie reflexhaft zertreten. Schaben gelten als Ungeziefer, als Symbol des Drecks. Ich sehe das anders, oder sagen wir: nicht nur so. Mich faszinieren diese Tiere. Sie wirken auf mich wie kleine Aliens der Natur, ausgestattet mit Sensoren, die schneller reagieren als unser Ekelreflex.

In Filmen wie Men in Black, Wall-E oder Joe’s Apartment tauchen sie als Überlebenskünstler oder heimliche Begleiter des Menschen auf. Und ich frage mich: Gibt es eigentlich eine Bubble für Kakerlaken? Mich haben sie jedenfalls gecatcht, ich wollte wissen, wer sie wirklich sind.

Die Wahrheit über die Schabe

Das Erste, was ich über sie gelernt habe, hat mich nachhaltig geprägt:
Wenn man eine Schabe zertritt, kann man unbewusst ihre Eier weitertragen. Eine weibliche amerikanische Schabe trägt ihre Nachkommen in einer Oothek, einer widerstandsfähigen Kapsel, in der bis zu 40 Eier liegen. Diese Kapsel überlebt wochenlang manchmal sogar, wenn die Mutter längst tot ist.
Seit ich das weiß, sehe ich jede flache Sandale, die in tropischen Nächten auf eine Kakerlake niedersaust, mit anderen Augen.

Natürlich weiß ich: Wer mit Tieren arbeitet, kommt nicht ohne Widersprüche aus. Auch ich habe schon eine Schnecke zertreten, eine Mücke erschlagen. Aber wo zieht man die Grenze?

Wann wird das Töten einer Schabe zur ethischen Frage?

Denn wenn man es zu Ende denkt, zerstören wir mit jedem Atemzug Milliarden Mikroorganismen.

Schaben als heimliche Recycler

Schaben gelten als Schädlinge, doch in Wahrheit sind sie ökologische Putztrupps. Sie fressen alles: Papier, Leder, Schimmel, Abfälle. Sie beseitigen, was wir hinterlassen, und führen es wieder dem Kreislauf zu. Sie sind die Biorecycler unserer Zivilisation und vielleicht der ehrlichste Spiegel unseres Überflusses.

Im Prinzip sind sie nützlich. Sie beißen nicht, sie stechen nicht, sie jagen uns nicht. Sie tun, was sie immer getan haben: aufräumen.

Das Problem ist nur, dass ihre Beine auch dort entlanglaufen, wo wir sie nicht haben wollen durch Abwasserrohre, Fäkalien, Müll. Dabei übertragen sie Krankheitserreger wie Salmonellen oder Schimmelsporen. Und wenn sie dann über unsere Küchenplatten spazieren, werden sie zum Gesundheitsrisiko. Ihr Kot kann zudem Allergien auslösen.

Zwischen Ekel und Bewunderung

In Deutschland sind sie kaum ein Problem. In den Tropen dagegen gehören sie zur urbanen Nacht. Und ich frage mich: Warum fühle ich so viel Widerstand, wenn ich an ihre „Bekämpfung“ denke?
Vielleicht, weil sie etwas verkörpern, das wir verdrängen das Unkontrollierbare, das Schmutzige, das Leben im Schatten.

Ich empfinde Ekel, ja. Aber auch Faszination. Ihre langen Fühler, ihr glänzender Körper, ihre Geschwindigkeit, die Art, wie sie fliegen, all das ist pures Überleben. Und in ihren Gesichtern, so absurd es klingt, liegt etwas Komisches, beinahe Sympathisches.

Faktenkasten: Die amerikanische Küchenschabe
Wissenschaftlicher Name: Periplaneta americana
Herkunft: Ursprünglich Afrika, heute weltweit verbreitet
Größe: 3–4 cm
Lebensraum: Warm, feucht (bevorzugt) Abwasserrohre, Küchen, Vorratsräume
Nahrung: Allesfresser (Abfälle, Papier, Schimmel, Aas)
Besonderheit: Kann fliegen, trägt Eipakete mit bis zu 40 Eiern
Rolle im Ökosystem: Zersetzer: wichtig für den Stoffkreislauf

Vielleicht ist die Schabe nicht unser Feind, sondern unser Spiegel.
Sie lebt von dem, was wir wegwerfen und erinnert uns daran, dass auch das Hässliche Teil der Natur ist.

🪳❤️

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